Auf Einladung der Hessen Trade & Invest GmbH und des Enterprise Europe Network habe ich mich stellvertretend für eoda Anfang Oktober auf den Weg zu einer dreitägigen Unternehmerreise zum Thema Künstliche Intelligenz nach London gemacht. Rund 15 Unternehmen verschiedenster Branchen sind gemeinsam mit mir auf AI-Safari gegangen. Für eoda war es die erste Reise dieser Art und man kann sagen: Es hat sich gelohnt.
Ein Austausch der schnellen Art
Erster Programmpunkt war eine Kooperationsbörse mit Londoner Unternehmen, die im Bereich AI tätig sind. Ein spannender Nachmittag, an dem man in zweieinhalb Stunden über zehn Unternehmen in einem Speed-Dating kennenlernen konnte. Die meisten stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung und viele Unternehmen hatten interessante Ideen. Mein persönlicher Favorit war das Konzept eines Medizin Start-ups, dass Mammographie Screenings in afrikanischen Ländern realisieren möchte. Das Thema Brustkrebs steht dort, angesichts von Malaria, Dengue Fieber und anderen schweren Krankheiten, weniger im Fokus als in den westlichen Ländern. Die Gründer wollen über mobile Datenverbindungen und mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ein großflächiges Screening umsetzen, dass sich mit überschaubarer Investition realisieren lässt.
Der zweite Tag der Reise stand ganz im Zeichen der IP Expo. Die Messe, die ab dem nächsten Jahr unter dem Namen Digital Transformation Expo firmieren wird, kombiniert Ausstellung und Konferenz zu den Themen AI, Internet of Things, Cyber Security und Blockchain. Womit fast alle aktuellen Buzz-Words abgedeckt wären. Die Ausstellung hat eher enttäuscht. Wirklich innovative Use Cases waren leider nicht zu finden. Sehr spannend hingegen war die Konferenz: Mein Highlight war der Vortrag der britischen Mathematik-Dozentin, Hannah Fry, die ihr neues Buch “Hello World” vorgestellt hat. Einer ihrer Kernthesen lautet die menschliche und maschinelle Intelligenz durch Aufgabenteilung zu kombinieren, um das volle Potential von KI auszuschöpfen. Maschinen kümmern sich demnach um die Sensitivität eines Modells, d.h. sie finden in einer großen Menge Daten potenziell betroffene Objekte. Menschen sind für die Spezifität zuständig, d.h. sie differenzieren aus den algorithmisch klassifizierten Objekten zwischen echten Treffern und falsch positiven Entscheidungen. Ein wohltuender Kontrapunkt zu den diskursbeherrschenden Vertretern und Gegnern der Künstlichen Intelligenz. Grundsätzlich waren die Vorträge und Diskussionen durch eine realistische Sicht auf Chancen und Risiken von AI geprägt. Chancen erkennen, aber keine Wunder erwarten lautet die Devise.
Start-Up Hubs unter die Lupe genommen
Am dritten und letzten Tag der Reise stand ein Besuch des Start-Up Hubs von Microsoft Reactor, Cisco Innovation Lab und Google Campus London auf dem Programm. Viele der ansässigen Start-Ups beschäftigen sich mit AI-Themen. Die Hubs liegen fußläufig nur wenige Minuten voneinander entfernt. Alle Hubs sind Teil eines weltweiten Programms mit Zentren in verschiedenen Metropolen der Welt. Die Teilnehmer des Programms können sich an einem beliebigen Hub ansiedeln und sich auch über mehrere Hubs hinweg verteilen. Für die teilnehmenden Start-Ups ist die Mitgliedschaft kostenlos. In der Regel sind die Hub-Anbieter an den Start-Ups nicht beteiligt.
Microsoft und Cisco erwarten, dass die jeweils eigene Technologie eingesetzt wird, was in Anbetracht des Invests durchaus nachvollziehbar ist. Google dagegen stellt es den Unternehmen frei, mit welcher Technologie sie arbeiten. Es wäre also theoretisch möglich im Google Hub ein Unternehmen aufzubauen, dass auf Basis der Azure Cloud arbeitet. Ob das in Praxis tatsächlich passiert ist jedoch fraglich. Die technologische Offenheit wirkt zwar ehrlich, dient aber wohl nicht zuletzt der Imagepflege.
In allen drei Hubs arbeiten die Start-Ups in Großraumbüros. Unternehmen sind nur durch Schilder abgegrenzt, die an den Schreibtischen angebracht sind. Die Ausstattung orientiert sich an Coworking-Spaces: Es gibt beschreibbare Wände und White Boards, Besprechungsräume und Telefonboxen. Das gemütliche Café gehört genauso zum Standard wie der obligatorische Tischkicker.
Google bietet das mit Abstand größte Zentrum. Die Organisation der Start-Ups erfolgt bei Google auf verschiedenen Levels. In der ersten Stufe reicht ein relativ einfaches Bewerbungsverfahren, um den Service nutzen zu können. In den weiteren Stufen erfolgt ein detaillierter Auswahlprozess. Auffällig war, dass die Unternehmen in der Eingangsstufe noch dicht gedrängt saßen, während die höheren Entwicklungsstufen deutlich luftiger besetzt waren.
Allen Hubs war gemeinsam, dass die AI Startups Cloudlösungen entwickelt haben. Künstliche Intelligenz ist somit ein weiterer Push-Faktor für die Cloud. Die Schlussfolgerung, dass AI zwingend eine Cloud voraussetzt wäre jedoch falsch. Es gibt viele Szenarien, in den lokal installierte AI–Lösungen Sinn machen und funktionieren. Nur findet man diese nicht in der Londoner AI–Szene.