Systematisch durchgeführte statistische Kontrollen an den richtigen Stellen der Liefer- und Fertigungskette helfen Unternehmen dabei, enorme Kosten zu sparen und Qualitätsverbesserungen zu erzielen. Dieser Beitrag beleuchtet die Bedeutung gelungener Stichprobenkontrollen in Wareneingang und Produktion und arbeitet sowohl die Risiken fehlerhafter, als auch die Voraussetzungen und Chancen richtig durchgeführter Prüfverfahren heraus.
Die Risiken einer misslungenen Stichprobenprüfung am Beispiel der Fertigungsindustrie
Ein Praxisbeispiel aus der Kunststoffverarbeitung zeigt die Notwendigkeit fachgerecht durchgeführter statistischer Kontrollen am Beispiel der Wareneingangskontrolle. Ein Zulieferer hat bei seiner Spitzgussfertigung einen systematischen Produktionsfehler übersehen. Der Fehler blieb auch nach Wareneingang unentdeckt und der Lieferbestand wurde zur Endfertigung freigegeben. Auch während der Produktion und Endkontrolle sind keine Fehler aufgefallen.
Erst durch den Verbraucher wurden die fehlerhaften Produkte erkannt und führten schließlich zu hohen Reklamationsquoten. Die Sperrung aller Chargen mit fehlerhaften Elementen, Warenrücknahmen und enormer Aufwand in der Abwicklung der Reklamationen waren die Folge.
Die Wareneingangsprüfung verwies auf nicht-signifikante Ergebnisse in den durchgeführten Stichprobenkontrollen. Eine anschließende Fehleranalyse zeigte jedoch, dass diese Ergebnisse nicht robust genug waren. Die gezogene Stichprobe hatte einen Umfang von 13 Elementen und wurde aus einem Los von 270.000 Teilen gezogen. Mit dem Lieferanten war in der Produktspezifikation ein Fehleranteil von 0,1% vereinbart.
In diesem Fall ist schon ohne statistische Absicherung erkennbar, dass eine derart geringe Stichprobengröße zu kaum hilfreichen Erkenntnissen führen kann.
Statistische Verfahren in Wareneingang, Fertigung und bei der Endkontrolle
Das vorangegangene Beispiel zeigt, wie unzureichende Kontrollen innerhalb der Supply-Chain und über den gesamten Produktionsprozess hinweg immense Kosten verursachen. Ein durchdachter Prüfplan zur Qualitätsbewertung und –kontrolle kann hier erheblich zur Risikominimierung durch eine frühzeitige Fehlererkennung beitragen. Ganz nebenbei entsteht durch die Dokumentation der durchgeführten Prüfungen die Grundlage für belastbare Argumente gegenüber den Vertragspartnern.
Das Grundgerüst eines Prüfplanes bilden sogenannte Stichprobenverfahren aus dem Methodenset der Statistik. Diese werden herangezogen, um Abschätzungen über die Warenbeschaffenheit hinsichtlich Qualität, Fehleranteil und metrischer Merkmale (wie Größe, Gewicht, Dichte usw.) zu treffen. Stichprobenprüfungen ermöglichen dabei belastbare Aussagen bei gleichzeitiger Vermeidung einer kostenintensiven Volluntersuchung. Bei sogenannten zerstörenden Prüfungen wie sie bei Hygieneuntersuchungen von Operationsbesteck oder bei Crashtests in der Automobilbranche vorkommen, ist eine Volluntersuchung überhaupt nicht möglich. Mittels eines durchdachten Prüfplans können dennoch mit überschaubaren Kosten zuverlässige Aussagen über die Qualität der Produktion getroffen werden.
ISO Normen erleichtern die Anwendung statistischer Testverfahren
Werkzeuge um statistische Kontrollen zu vereinfachen und zu standardisieren, sind die AQL (acceptance quality limit) Normwerttabellierungen nach DIN ISO 2859 und DIN ISO 3951. AQL-Tabellen schaffen die Voraussetzungen, um Qualitätsvereinbarungen zu beziffern. International gültig bilden sie ein weitreichend akzeptiertes und kennzahlenorientiertes Bezugssystem, das Verwendung in Produktspezifikationen oder anderen vertraglichen Warenqualitätsvereinbarungen findet.
In den ISO Normen enthalten ist ein System annehmbarer Qualitätsgrenzlagen, welches Aussagen über den maximal tolerierbaren Anteil an fehlerhaften Einheiten in der Stichprobe macht. Über das zwischen den Vertragspartnern vereinbarte Prüfniveau wird zunächst die Stichprobengröße für die zu testende Losgröße bestimmt. Nach der Produktprüfung lässt sich angeben, ob sich der vermutete Fehleranteil des Prüfloses noch in einem tolerierbaren Bereich befindet.
Drei Komponenten bilden die Basis für optimiertes Qualitätsmanagement
Das beschriebene Praxisbeispiel verdeutlicht, dass die bloße Existenz von Normen und AQL-Tabellierungen nicht ausreicht, um ein höheres Level im Qualitätsmanagement zu erreichen. Die Voraussetzung für den sachgerechten Aufbau von Prüfverfahren bildet vielmehr das Zusammenspiel dreier Komponenten:
- Statistisch geschultes Fachpersonal
- Richtige Anwendung standardisierter Stichprobensysteme
- Der Einsatz geeigneter Softwarelösungen.
Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Fachpersonal. Auch wenn Statistik in nahezu jedem Studium Lehrinhalt ist, fehlt es den Fachkräften innerhalb des Qualitätsmanagements und der Produktion oftmals an praxisnahen d.h. anwendungsorientierten Kenntnissen. Eine praxisorientierte Ausbildung mit Bezug auf die eigenen betrieblichen Erfordernisse ist hier der Schlüssel zum Erfolg.
Prüfpläne, de facto nichts anderes als statistische Testverfahren, bedürfen der Anpassung an die Problemstellung und sollten das Skalenniveau, als auch die Verteilungsart der zugrunde liegenden Daten berücksichtigen. Standardisierte Pläne wie die AQL-Tabellierungen verführen den Anwender zum „Malen nach Zahlen“. Die abgelesenen Werte werden ohne Bewusstsein für die statistischen und inhaltlichen Hintergründe bewertet. Normwerttabellierungen weisen methodische Fallstricke auf, da sie den konkreten Anwendungsfall oft nur unzureichend abbilden. Die alleinige Nutzung der AQL-Normen ermöglicht so keine vollständige Unterstützung der Prüfprozesse im Unternehmen. Prüfplänen müssen an die gegebenen Probleme angepasst werden, um eine erfolgreiche statistische Prozesskontrolle sicherzustellen.
Nachhaltig umgesetzt werden sollte die statistische Prozesskontrolle mit einer adäquaten Softwarelösung. Weit verbreitet sind der Pen&Paper-Ansatz oder Tabellenkalkulationsprogramme wie Microsoft Excel, oft auch in Kombination. Im Zeitalter von „Industrie 4.0“ und der allgegenwärtigen Datenerfassung sollte die Softwarelösung zur statistischen Prozesskontrolle jedoch mehr leisten. Integration in bestehende Anwendungen, webbasierte Benutzeroberflächen, aussagekräftige Grafiken und ein entsprechender statistischer Funktionsumfang sind hier zu nennen. Der folgende Beitrag zeigt, wie sich mit der Statistiksprache R eine ganzheitlich integrierte Lösung für das Qualitätsmanagement erreichen lässt und wie Salzgitter Mannesmann R in der Stahlerstellung einsetzt.
Im Rahmen der eoda R-Akademie, einem modularen Trainingsprogramm für die Programmiersprache R, können Interessierte vom 2.- 4. Dezember 2014 das Know-how erwerben um mit der statistischen Prozesskontrolle eigenständig die Grundlage für erfolgreiches Qualitätsmanagement zu schaffen.
Der Kurs „Angewandte Statistik im Qualitätsmanagement mit R“ soll die Teilnehmer in die Lage versetzen optimierte Prüfpläne zu entwickeln und das analytische Potential von R für eine nachhaltige Verbesserung des Qualitätsmanagements nutzen zu können.
Hier entlang.